Seifenblasen zum Geburtstag - ein Flugbericht




Sonntag Morgen, März 2007 ,

7.00 Uhr wetter. com :

in Willingen ist die Sicht gleich null, Wind 19km/h.

Hm, fliegen im Sauerland wird wohl heute nichts.

Wind wäre ja beherrschbar, aber bei null Sicht ?

Vielleicht später, ich kann ja auch zu Hause fliegen.


Dabei habe ich mir schon länger vorgenommen, meinen

32. Geburtstag mit einem schönen Flug zu krönen.

Also Computer wieder aus und noch mal ins Bett, ist ja noch Früh.


9.30 Uhr

Ich habe es endlich geschafft aufzustehen, gehe duschen.

Das Bad ist vollgenebelt - Fenster auf.

Oh, die Sonne lacht durch die immer noch engen Wolken.

Meine Tochter legt mir einen kleinen Zettel vor die Badezimmertür

"Alles gute zum Geburtstag Papa" lese ich.


Hätte ich vielleicht doch nicht allen sagen sollen das ich nicht feiere

weil ich fliegen wollte?

Der Vormittag schleppt sich so durch, ich blicke immer wieder zu Fenster.


13.00 Uhr

ca. 3/8 Cumulus schweben sanft über unsere Terrasse, jetzt aber !

Bitte, bitte zu meiner Frau "Bringst du mich zum Flugplatz ?"

Sie sagt "ja" und ich flitze in den Keller, Träger holen, ans Auto schrauben,

meinen Solo draufsetzen und festzurren.

Wieder nach oben, GPS mit neuen Batterien bestücken,

Schirm aus dem Schlafzimmer holen, runter ins Auto - fertig !


Nach 10 min. Fahrt sind wir in Mersch am Flugplatz.

Ein Motorschirm ist schon in der Luft, ein Anderer macht sich gerade fertig.

Mein Puls geht hoch, schnell aufbauen.

Nach weiteren 15 min. bin ich Startbereit , hmm - nichts vergessen ?

Egal, der Motor ist warmgelaufen, mein Puls steigt noch mal käftig -

jetzt oder nie.


Eindrehen, Motor an, ein kurzer Ruck an den A-Gurten und die Tüte steigt etwas schief, ich lehne mich nach hinten, ein paar Schritte unterlaufen -

PERFEKT !

Ausdrehen , Vollgas 5 bis 6 Schritte kurze Bremse und schon schließt mich

die Seifenblase ein und ich schwebe der Sonne entgegen.

Bilderbuchstart.

ca. 50 m höher ,Gas weg ,Steuerleinen loslassen , das Sitzbrett

unter den Hintern schieben, nachgreifen, Gas und...

oh, ich sitze mal auf Anhieb bequem, stelle fest was ich vergessen habe.

Mein Cockpit ist verschlossen, Vario, GPS und Höhenmesser sind aus.

Ich mache erst einmal eine Platzrunde und ca.300 m Höhe.

Landen ? Nicht nach diesem Start !

Ich nehme langsam den Schub raus, Handschuhe zwischen die Zähne und

bringe meine Elektronik in Ordnung.

Jetzt nur nicht husten !

Alles i.O. und los geht´s Richtung Herbern.

Unten sehe ich noch wie Frau und Tochter meinen Rucksack

ins Auto laden und den Platz verlässt.

Mein Vario pendelt zwischen -1 und 2,5 m steigen.

Sollte doch heute eigentlich keine nutzbare Thermik zu finden sein,

es wird etwas ruppig, ich habe schon 700 m unter mir,

die Wolken kommen verdächtig nahe.

Ich sehe mein Auto Richtung Heimat fahren und drehe meine 1. Runden

über Herbern, dann über die A1 zum Schloß Westerwinkel ,

auf dem Golfplatz ist viel los einige Leute winken.

Ich bekomme kalte Füße, nehme Gas weg und stelle meine Stiefelheizung an.

 (Nicole sei dank, ich habe eine)

Schon angenehmer mache ich mich weiter über Capelle Richtung Nordkirchen auf.

Rechts unten sehe ich in einiger Entfernung Ascheberg.

Soll ich schon nach Hause ? Neee !

Ich überfliege das Schloß Nordkirchen und nehme Kurs gegen den Wind auf Lüdinghausen.

Ich gleite auf einer Höhe mit den immer kleiner werdenden Wölkchen,

mal höher mal tiefer mal einfach zwischendurch.

Dann sehe ich Senden am Horizont, wo meine Eltern wohnen

die eigentlich jetzt gerade mit mir Kaffee trinken wollten.

Ich drehe mich aus dem Wind und rase mit fast 75 km/h Richtung Eltern.

Ups, ist mein Schirm doch nicht so lahm wie ich dachte

( mit Rückenwind grins ).

Unterwegs immer mal wieder um 180 Grad rum, rückwärts fliegen ist doof.

Ich lasse mich von 950 auf 300 m sinken, noch mal rum, 10 km/h gerade aus.

Hier bleibe ich, ist auch gleich etwas wärmer.


Nach dem ich so 20 min. über Senden gekreist bin,

mit Steigen bei Standgas , geht also doch , nehme ich Kurs auf Ascheberg.

Kurz hinterm Kanal habe ich nur noch 150 m unter mir und auch

meine Finger melden so langsam Protest.

Der Wind kommt direkt von vorn und mein GPS zeigt lahme 4 km/h.

Nach einer knappen halben Std. und verschiedenen Versuchen schneller

zu werden, gebe ich 1000 Meter vor Ottmarsbocholt auf

und stelle den Motor aus.

So, nun bin ich wieder ein Gleitschirm, und da gilt ja die Außenlandeerlaubnis mit dem Start schon als erteilt.

Tolles Luftrecht !

Meine Füße erreichen sanft und sicher wieder festen Boden auf einem Acker 20 m neben der Hauptstraße unter Regie einiger Radfahrer die extra angehalten haben um sich das Schauspiel anzusehen.

Ich drehe mich ein und handle den Schirm noch bis auf den Radweg.

16.15 Uhr

Ablegen , GEIL !

Mein GPS zeigt knapp 35 km Strecke , nicht viel ,

aber nach fast 2,5 Std. in der Luft steht fest :

Dieser Tag war geil und mal wieder etwas ganz besonderes.

Nach der Landung kam mein Arbeitskollege Micha noch und hat mir mein Landebier gebracht, danke noch mal an dieser Stelle .


Als alles wieder gut verstaut war, meine Frau war inzwischen eingetroffen,

machte ich mich zufrieden auf den Heimweg.


Und die Seifenblase vom Start, umgab mich noch immer.


Warum ich meinen Geburtstag nicht feiere ?

Diese Frage kann nur ein Fußgänger stellen.

Habe ich doch !


Manuel Essenberg

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